unterhalb der Bühne


Am Mittwoch war ein verdammt schöner Abend. Gavlyn und Oh Blimey spielten das letzte Konzert ihrer #tour – europe edition in der Berliner Cassiopeia und Spoke P Kaye haben als Support und Opener so viel gegeben, dass ich quasi schon hätte glücklich nach Hause gehen können.   Und in der Pause zwischen beiden Konzerten fand ein Gespräch statt, dass der eigentliche Anlass dieses Beitrages sein soll.

 

vor dem Konzert den Moment festgehalten:
Fem* Focus Session #1 mit Sookee, Gavlyn, Oh Blimey & Kaye

 

 

Die Begegnung.         Ann I. Kaa – ich nenne sie hier mal so – gestaltet jährlich ein antifaschistisches Musikfestival am nordöstlichen Rand der Stadt und beobachtet und feiert – nicht nur fürs Booking – aufmerksam, was im alternativen Hip Hop in Berlin passiert. Sie baut Bühnen für andere und gibt Zuspruch und – wie ich diesen Abend erleben durfte – stellt fragen, weil sie wissen will, was als Antwort kommt. Und sie ist sich nicht zu schade, dann mit einem offenen, staunenden Ausdruck im Gesicht zu antworten: „das wusste ich garnicht“, oder „krass, da hab ich so noch nie drüber nachgedacht.“ Wann immer ich ihr begegne ist sie außerdem mit einer Lebensfreude unterwegs, die ihr Beispiel im radikalen Untergrund sonst meist vergeblich sucht. Das musste mal gesagt werden, weil so manche freie radikale politisch Kulturschaffende des Hintergrunds oft garnicht weiß, wie wichtig ihre Arbeit und ihr Wirken sind. Auch die Basis und die Bühnen der Antifa werden nicht von Männern gebaut, im Übrigen. Auch, aber eben auch nicht.

 

Anyways. Auf jeden Fall hat Ann mir an dem Abend die Gelegenheit gegeben, das Ein oder Andere zu erzählen, was ich im Kopf habe und mich dann mit der Frage gepusht: „Sag mal, wenn Du soviel über die Sachen weißt (es ging um Rapmusik), schreibst Du eigentlich auch irgendwo darüber?“  „tjaaaaa. hmmm. ääääh. da gibt es ja diesen Blog, den ich schreibe, auf meiner Seite…“ gerate ich ins Stocken… denn immer verfolgt mich das Gefühl, zu wenig dafür zu tun, zu wenig zu schreiben, zu wenig zu posten, zu wenig zu teilen… Ich nehme dieses unzufriedene Gefühl, also das Gefühl, mit mir und meiner Arbeit unzufrieden zu sein mit nach Hause und lasse es ein paar Tage in mir grummeln und denke nach… woran hängts? (im Übrigen eine meiner lieblings Fragen) Die Sache ist die: Da waren ungefähr schon 17 Ideen für Blogbeiträge – manche haben sich dann in eine der schattigen Ecken eines Artistprofils verzogen, andere haben es nie aus meinem Kopf heraus geschafft, andere fristen ein Dasein als Skizze und verharren als Idee ohne Struktur auf Notizzetteln… wo anfangen?

 

und überhaupt: wisst ihr eigenlich, was für ein scheiß Druck auf allen Äußerungen liegt, die mit Rap und eben der Perspektive verbunden sind, die ich darauf einnehme? Viel zu oft laufen Gesrpäche ja so ab, dass es darum geht, Knowledge zu droppen und sich bloß nicht anmerken zu lassen, dass man das eine Video nicht kennt und von der anderen Künstlerin noch nie etwas gehört hat. Es geht dann eigentlich nicht mehr um die Sache, sondern darum, unter Beweis zu stellen, dass man dabei ist, dazu gehört, alles weiß, die aktuellsten Ausdrücke, Codes und Moves verinnerlicht hat, zuerst drauf gekommen ist und so weiter und so fort. Das ist so anstrengend.

 

Gleichzeitig ist es aber andersrum so, dass in Zusammenhängen und Öffentlichkeiten, die mit dem Fokus von NOBOYSBUTRAP nicht vertraut sind, meist die Logik der Ignoranz greift: wenn ich ‚als Frau‘ mitreden will über Rapmusik und einen der großen Namen nicht kenne, dann bin ich unwissend (und schäme mich). Wenn aber mein Gegenüber den Namen eines weiblichen MCs nicht kennt, dann muss das daran liegen, dass sie einfach nicht so bekannt ist, ‚man sie nicht kennt‘ (auch wenn sie zum Beispiel Heather B heißt), was heißen soll: nicht kennnen muss – weil an ihr klebt eben keine Macht.

 

Ich möchte mich nicht beobachtet fühlen (abgecheckt) und genauso wenig beweisen müssen. Wozu? und wem überhaupt? Umso schöner ist es dann, wenn Begegnungen jenseits dieser Logik laufen. Und davon handelt dieser Eintrag eigentlich – von dem Nachklang zwei respektvoller Begegnungen an einem HipHop Konzertmittwochabend…

 

Von der einen habe ich eben erzählt, die andere begab sich nach der Show: hier hatte ich einen kurzen, wenn auch intensiven Moment mit Oh Blimey backstage. Aus den paar Minuten sind ganze Gedankenstunden entstanden:   Wie gelingt es, sich selbst auch gegen existentielle Infragestellung an die eigene Oberfläche zu holen, statt als Zerrspiegel für die ignoranten und normierten Wahrnehmungen, Vorstellungen und Projektionen anderer herzuhalten? Wie gelingt es, sich in der Mimik, Gestik und in der eigenen Stimme selbstvertrauend und wohlfühlend zum Ausdruck zu bringen? Und wie gelingt es, gleichzeitig dem Gegenüber zu ermöglichen, das Selbe zu tun?

 

… es sind diese Momente, die mich zutiefst inspirieren und mir Kraft geben. Ob live in der Begegnung oder beim Recherchieren oder beim Musik hören. Deswegen mache ich das alles hier.  Auf jeden Fall habe ich mir nach diesem Abend vorgenommen, das Schreiben für diese Seite etwas leichter zu nehmen, mehr zu vertrauen, mehr zu teilen, was ich bei meinen Recherchen herausfinde und was ich mir dazu denke und den Blog damit einen Blog sein zu lassen: eine Sammlung von Einträgen aus der alltäglichen Beobachtung und Erfahrung, mit insgesamt mehr Intuition und Spontaneität und etwas weniger Druck und etwas weniger zuvorkommender Übernahme von Beweislast und damit eventuell etwas Verlust an Definitionsmacht. …wobei, wer weiß?!

 

 

thank you for listening!

 

L*